Der kann ja gar nicht richtig schreiben
Kinder malen Bilder nach Zahlen. Dabei ist die jeweilige Form, Größe und die Anordnung im Gesamtkontext genau vorgeschrieben. Ähnlich verhält es sich bei mir mit dem Schreiben. Meine Vorlagen sind allerdings weniger bund, der Gesamtkontext ist in vielerlei Hinsicht auch nicht so „idüllisch“. Ich male Wörter und ganze Sätze nach. Mit dieser Methodik versuche ich eine „Störung“ oder „Schwäche“ zu umgehen: Legasthenie. Oder besser gesagt: ich wende meinen eigenen Lösungsansatz an. Dieser hat Grenzen. Straßennamen sind für mich der Endgegner, weil ich hier den Anfang und das Ende einzelnen Wörter nicht erkennen kann. Das ist ok - nervt nur mega.
Da stehe ich also mit meinem Begleiter seit den ersten Schultagen. Heute kommen wir miteinander ganz gut klar. Der stressige Alltag in einem erfolgreichen Start-up sorgt manchmal zwar dafür, das kein Satz gerade zusammenpassen will. Das macht aber nichts. In unserem Team ist meine Legasthenie kein Geheimnis. Heißt: bei wichtigen Mails schaut immer jemand drauf und korrigiert Rechtschreibung und Grammatik.
Mein Tipp: sprechen!
Heute kann ich offen über das Thema sprechen, das war vor nicht einmal 10 Jahren nicht möglich. Meine Ängste, mein Scharm und meine Wut auf mein Versagen beim Schreiben haben mich schnell aggressiv und verletzlich gemacht. Geändert hat sich alles in der letzten Station meines vorherigen Arbeitgebers. Ab der ersten Sekunde war das Vertrauen vorhanden offen und ehrlich zu sagen, dass ich diese Herausforderung habe und Hilfe brauche. Ich konnte erklären, wie ich mir Support wünsche, was mir ein gutes Gefühl gibt und was aus meiner Erfahrung nichts bringt. Selten hat mein Berufsleben etwas so stark verändert wie die Zusammenarbeit in diesem Team.
Schaut auf eure Stärken
Ich glaube daran, dass jeder Mensch Kompetenzen hat, die richtig eingesetzt, einen enormen Impact auf eine Organisation haben. Das trifft auf jeden von euch zu und auch auf mich. Wenn ich ein Problem nicht lösen kann, muss ich mich immer Fragen, wo und wann es überhaupt zum Problem wird. Sind andere meiner Skills nicht viel wertvoller und bringen diese mich, das Team und die Organisation nicht auch an das Ziel? Legastheniker müssen lernen, anders zu denken und Aufgaben anders und schwieriger zu lösen. Daraus entsteht unkonventionelles Denken und Innovation.
Ich lerne schneller (z.B. Systeme zu verstehen), stelle Fragen und setze die Antworten in Verbindungen zueinander. In Kombination mit Excel Skills und dem Interesse am „großen Ganzen“ führt das heute dazu, dass ich bei SAPERED die Finanzen verantworten kann. Ich habe gelernt Hilfsmittel (Email Vorlage, Eselsbrücken, usw.) zu bauen, die mir langfristige helfen. Lieber heute 4 Stunden mit viel Sorgfalt und Logik investieren und dafür morgen mehr Planungssicherheit zu haben.
Was heißt das für SAPERED?
SAPERED bietet Lösungen im großen Spielfeld des Learning & Development an. Meine Geschichte in der Schule, die Ängste in Weiterbildungen, der Scharm vor Kollegen in Mails oder Texten hat meine Sichtweise auf dieses Thema geprägt. L&D muss dem Lerner helfen seine Aufgaben besser machen können. Nicht nur bezogen auf den Output, sondern besonders den Outcome. Der einzelne fühlt sich besser.
Aus unserem Purpose („We drive people to grow“) und unserer Vision („Wir geben Lernen die Wirkung, mit der Veränderung im Unternehmen zur Chance und die Zukunft zum Alltag wird.“) ergibt sich für mich, dass wir anderen Menschen mit vermeintlichen „Schwächen“ erlauben, ihren Weg einfacher zu gehen. Dazu braucht es nicht immer die große Lösung. Im Gegenteil: oft ist es die Kleine, gut anwendbare und simple Antwort.
Skills sind wichtiger als Rollen
Meine Erfahrungen haben auch beim Aufbau unserer Organisationsstruktur geholfen: Nur der offene Umgang mit Stärken, Schwächen, differenzierten und komplementären Kompetenzen kann und wird uns zum Erfolg führen. Erfolg ist für mich nicht nur über monetäre KPI‘s messbar. Viel wichtiger ist die Frage nach dem „Wohlfühlen“ im Team. Kann sich jeder entwickeln und die Dinge vorantreiben die ihn/sie stark macht? Bekommt jeder die Hilfe wie er/sie braucht?
Skillbasiertes Arbeiten in einer Organisation mit dem Mut zur Perspektivvielfalt gibt uns die Chance uns als Organisation weiterzuentwickeln. Nehmen wir das Thema Recruiting als Beispiel. Die Werte müssen zum großen Teil übereinstimmen, die neuen Team Mitglieder müssen sich mit dem Purpose und der Vision identifizieren können. Allerdings sollten die Skills nicht die selben sein. Wir suchen keine Menschen, die wir zu unserem „Mini-Me“ heranziehen können. Sondern Menschen die anderen Kompteenzen mitbringen uns in Summe bereichern und von denen wir lernen können.
Was ich noch sagen möchte …
Ich ende mit einem Appell an zuerst Eltern. Wenn ihr feststellt, dass euere Kinder eine andere Ballance an Stärken und Schwächen haben wie die Allgemeinheit, supportet sie. Als Bespiel schaut nur mal nach, welche Größen dieser Zeit (Bill Gates, Steven Spielberg, usw.) eine „Lese und Schreibschwäche“ haben und in ihrem Bereich absolut erfolgreich sind.
An alle Arbeitgeber: Rechtschreibfehler in der Bewerbung sind scheiße, ja stimmt. Sie sagen aber nichts über die Kompetenzen in anderen Gebieten aus. Fragt offen nach Schwächen, bietet Hilfe an und häufig sind Leidenschaft, Loyalität und Innovationen die Reaktion auf den sicheren Hafen.
Im Businesskontext zwar unüblich, aber was ist in diesem Blogpost schon normal: ich widme diesen kleinen Beitrag, Wilhelm, Casten und Carmen für die Geduld bei den vielen Texten, Mails und was weiß ich noch. Pascal der mich um diesen Blogpost gebeten und mich dazu zu insipideren hat, offen darüber zu sprechen – auch außerhalb unserer Organisation.
Disclaimer: Dieser Text wurde von uns nicht korrigiert. Logisch, oder?