Wissen Lern­theo­rien: 5 uralte Lern­mo­del­le, die auch heu­te noch funk­tio­nie­ren

Lern­mo­del­le und Lern­me­tho­den gibt es zuhauf – man­che mehr, man­che weni­ger erfolg­reich. Dabei sprie­ßen die neu­en Ideen rund ums Ler­nen im Betrieb nur so aus dem Boden, aber – braucht man das wirk­lich? Auch klas­si­sche Lern­mo­del­le bie­ten eine Men­ge guter Anre­gun­gen, um Wei­ter­bil­dun­gen heu­te noch bes­ser zu machen. Was sind die bekann­tes­ten und wich­tigs­ten Lern­mo­del­le? Wie brin­gen sie heu­ti­ge Wei­ter­bil­dun­gen wei­ter? Und wie kann man sie in moder­ne Struk­tu­ren inte­grie­ren? Dar­um geht’s in die­sem Arti­kel.

Lerntheorien July 11, 2023 Anna Keller 9 min

Was ist ein Lern­mo­dell?

Lern­mo­del­le sind Kon­zep­te, nach denen gelehrt wird. So die Grund­de­fi­ni­ti­on. Noch ein biss­chen genau­er ist die­se: Lern­mo­del­le sind theo­re­ti­sche Kon­struk­te für das Leh­ren, die einen mög­lichst gro­ßen und nach­hal­ti­gen Lern­ef­fekt für Lerner:innen haben sol­len. Damit bil­det ein Lern­mo­dell den theo­re­ti­schen Rah­men für eine Lehr­ver­an­stal­tung oder ein Lern­an­ge­bot.

Lern­theo­rien im Über­blick

Als Lern­theo­rie bezeich­net man ein Ver­ständ­nis von Leh­ren und Ler­nen, das den Lern­mo­del­len über­ge­ord­net ist. Ers­te Lern­mo­del­le gibt es schon seit den 1920ern (in Ansät­zen wohl noch frü­her), seit der Beha­vio­ris­mus ent­wi­ckelt wur­de. Die­sem zufol­ge spielt sich Ler­nen als Reiz-Reak­ti­ons-Ket­te ab, bei der Ver­hal­ten von außen, z. B. durch Lob, ver­stärkt und dann zur gelern­ten Norm wird. Demons­triert wur­de die­se Theo­rie am Bei­spiel des Paw­low­schen Hun­des, bei der ein Hund mit einem Ton auf sein Fut­ter vor­brei­tet wur­de und dar­auf­hin ver­mehrt Spei­chel bil­de­te. Nach einer Wei­le war die Spei­chel­bil­dung immer dann zu beob­ach­ten, wenn er den Ton hör­te – auch ohne Fut­ter.

Da die­se Theo­rie recht vie­le Aspek­te des Lern­pro­zes­ses außer Acht lässt – wie den gesam­ten Lern­vor­gang an sich – und nur auf eine sicht­ba­re Ver­hal­tens­än­de­rung aus­ge­rich­tet ist, dient sie heu­te nicht mehr als zufrie­den­stel­len­des Modell, um Ler­nen zu erklä­ren und dar­aus prak­ti­sche Stra­te­gien zu ermit­teln.

Ein Wan­del weg von die­ser sehr pas­si­ven Theo­rie des Ler­nens war die so genann­te kogni­ti­ve Wen­de in den 1950ern: Die kogni­ti­ve Lern­theo­rie beschäf­tigt sich nicht nur mit Reiz und Ergeb­nis, son­dern auch mit dem eigent­lich span­nen­de­ren Part dazwi­schen. Was pas­siert, wenn wir ler­nen?, lau­tet die Aus­gangs­fra­ge.

Vor­aus­set­zung für die kogni­ti­ve Theo­rie des Ler­nens ist die Annah­me, dass der Mensch aktiv und selbst­stän­dig Rei­ze ver­ar­bei­tet. Ler­nen funk­tio­niert also nicht als rei­ne Mani­pu­la­ti­on“ durch exter­ne Fak­to­ren. Viel­mehr lau­fen dabei Pro­zes­se wie wahr­neh­men, erken­nen, ver­ste­hen, den­ken, vor­stel­len, Pro­blem lösen, ent­schei­den und urtei­len ab. In der kogni­ti­ven Lern­theo­rie wird Ler­nen als Pro­zess ver­stan­den, bei dem Rei­ze und Wahr­neh­mun­gen als Input“ ins Gehirn kom­men, dort kogni­tiv ver­ar­bei­tet wer­den und sich als Out­put“ (ver­än­der­tes Ver­hal­ten oder Know­how) äußern.

Eine wei­te­re Lern­theo­rie, die in den 50ern bekannt wur­de, ist die kon­struk­ti­vis­ti­sche Lern­theo­rie.
Ähn­lich wie die kogni­ti­ve Lern­theo­rie besagt die­se, dass Ler­nen ein indi­vi­du­el­ler und sich kon­ti­nu­ier­lich ent­wi­ckeln­der Kon­struk­ti­ons­pro­zess ist. Der Grad an Indi­vi­dua­li­tät und Akti­on ist hier aber noch grö­ßer: Laut Kon­struk­ti­vis­mus kon­stru­iert jeder Mensch sei­ne eige­ne Reprä­sen­ta­ti­on der Rea­li­tät, abhän­gig von sei­nem Vor­wis­sen und der Lern­si­tua­ti­on.

Dem­nach ist Ler­nen durch Abschau­en allein unmög­lich, da Wis­sen von jeder Per­son eigen­stän­dig neu rekon­stru­iert, inter­pre­tiert und in ihr bestehen­des Welt­bild inte­griert wer­den muss. Leh­ren­de haben in die­ser Theo­rie also kei­ne Vor­bild­rol­le. Viel­mehr geht beim kon­struk­ti­vis­ti­schen Ler­nen dar­um, Ler­nen­de in ihrer eige­nen Kon­struk­ti­on von Rea­li­tät zu unter­stüt­zen. Ler­nen kann somit inspi­riert, aber nicht initi­iert, wer­den, d. h. Lehrer:innen kön­nen Anrei­ze geben, das Ler­nen selbst muss von der:dem Schüler:in kom­men.

Heu­te wird Ler­nen, sowohl in der Schul­bil­dung als auch in der Erwach­se­nen­bil­dung, am ehes­ten als kon­struk­ti­vis­ti­scher Pro­zess ver­stan­den. Eigen­in­itia­ti­ve, aus­pro­bie­ren, selbst ein­ord­nen – dar­um geht es, wenn Men­schen nicht nur aus­wen­dig ler­nen, son­dern wirk­lich an Kom­pe­ten­zen gewin­nen sol­len.

5 Lern­theo­rien und -model­le, die unab­hän­gig von Trends funk­tio­nie­ren

Natür­lich ist Ler­nen sehr indi­vi­du­ell. Des­halb gibt es auch nicht das eine Modell, das für jede:n gleich gut funk­tio­niert. Unter den Klas­si­kern der Lern­mo­del­le gibt es den­noch eini­ge, die heu­te noch vie­le Men­schen anspre­chen und einen gro­ßen Lern­er­folg brin­gen:

Cogni­ti­ve Appren­ti­ce­ship (Col­lins, Brown 1989)

Das Prin­zip der Cogni­ti­ve Appren­ti­ce­ship wur­de, wie der Name sagt, zu Aus­bil­dungs­zwe­cken ent­wi­ckelt. Die­ses Kon­zept besteht aus vier Schrit­ten:

  • Vor­füh­ren: Ein:e Leh­ren­de führt die erfor­der­li­chen Arbeits­schrit­te vor.
  • unter­stütz­te Eigen­tä­tig­keit: Die Ler­nen­den pro­bie­ren die Aus­füh­rung nun selbst unter der Auf­sicht der Lehr­per­son.
  • weni­ger unter­stütz­te Eigen­tä­tig­keit: Mit zuneh­men­der Kom­pe­tenz der Ler­nen­den mini­miert die:der Leh­ren­de ihre:seine Unter­stüt­zung.
  • unter­stüt­zen­des Beob­ach­ten: Wie ein Coach muss die Lehr­per­son den Lern­pro­zess beob­ach­ten und indi­vi­du­ell unter­stüt­zen.

Wo fin­den wir die­ses Prin­zip heu­te? – Über­all dort, wo Work­shops ver­an­stal­tet wer­den, ana­log oder digi­tal. Die­ses Modell zeigt, dass sich die Prä­senz einer:eines Leh­ren­den lohnt – näm­lich dann, wenn es gilt, kon­kre­te Tätig­kei­ten nicht nur ober­fläch­lich, son­dern in Per­fek­ti­on zu erler­nen.

Ler­nen durch Ein­sicht (Kof­fka, Köh­ler, Wert­hei­mer 1990er)

Bei die­ser Form des kogni­ti­ven Ler­nens geht es um das spon­ta­ne Erken­nen eines Zusam­men­hangs oder einer Pro­blem­lö­sung durch Ände­rung der Sicht­wei­se oder Pro­bie­ren. Manch­mal wird die­ses Prin­zip sogar mit dem kogni­ti­ven Ler­nen gleich­ge­setzt. Ler­nen durch Ein­sicht meint im Grun­de nichts ande­res als einen Aha“-Effekt. Die­ser Moment hat schon etwas nahe­zu Magi­sches und moti­viert dazu, noch wei­te­re Pro­blem­lö­sun­gen zu fin­den.

Der Lern­pro­zess läuft in sechs Pha­sen ab:

  • Pro­blem: Eine zu lösen­de Auf­ga­be tritt in Erschei­nung.
  • Expe­ri­men­tie­ren: Der:die Ler­nen­de ver­sucht über ver­schie­de­ne, bewähr­te Lösungs­we­ge, zu einem zufrie­den­stel­len­den Ergeb­nis zu kom­men.
  • Umden­ken: Wenn die bewähr­ten Lösungs­we­ge kei­nen Erfolg brin­gen, muss umge­dacht wer­den. Das Pro­blem wird jetzt ana­ly­siert und weni­ger durch Pro­bie­ren als viel­mehr durch logi­sche Über­le­gun­gen gehän­delt.
  • Aha: Es kommt zu einer Ein­sicht dar­über, wie das Pro­blem gelöst wer­den kann. Das feh­len­de Puz­zle­stück“ ist plötz­lich da.
  • Anwendung/​Problemlösungsüberprüfung: Gemäß der neu gewon­ne­nen Ein­sicht wird die Pro­blem­lö­sung jetzt aktiv aus­ge­tes­tet – und wenn erfolg­reich, als neue Stra­te­gie für kom­men­de Auf­ga­ben gespei­chert.
  • Über­tra­gung: Ler­nen­de kön­nen jetzt die Stra­te­gie auf ande­re Situa­tio­nen über­tra­gen.

Woher ken­nen wir das? – Im Prin­zip aus jeder Situa­ti­on, in der wir mit­tels neu­er Denk­wei­sen ein Pro­blem lösen müs­sen. In inter­ak­ti­ven Wei­ter­bil­dun­gen bil­det das Ler­nen durch Ein­sicht qua­si die Grund­la­ge für alle Auf­ga­ben. Die­se Art des Kno­belns“ kann auch für digi­tal geführ­te Unter­richts­for­ma­te und rei­nes eLear­ning funk­tio­nie­ren – vor­aus­ge­setzt, es gibt eine Instanz, die Feed­back gibt und eine Lern­er­folgs­über­prü­fung mög­lich macht (z. B. durch Gami­fi­ca­ti­on).

Lear­ning by doing (anti­kes Prin­zip, Dino­sau­ri­er­le­vel“)

Hier kommt das wahr­schein­lich ers­te Lern­mo­dell der Geschich­te: Lear­ning by doing. Es gibt vie­le unter­schied­li­che Mei­nun­gen dazu, wer die­ses Prin­zip zuerst ent­deckt hat. Man­che behaup­ten, es war Pfad­fin­der­of­fi­zier Robert Baden-Powell. Ande­re erwäh­nen in die­sem Zusam­men­hang immer wie­der den Päd­ago­gen Fried­rich Frö­bel. Wie­der ande­re spre­chen das Prin­zip dem Phi­lo­so­phen John Dew­ey zu. Neue­re For­schun­gen ver­or­ten Lear­ning by doing“ aber viel frü­her – näm­lich in der Niko­ma­chi­schen Ethik im anti­ken Grie­chen­land. Lear­ning by doing heißt dabei nichts ande­res als Ler­nen durch Machen – wenn ich etwas selbst ver­su­che, fin­de ich her­aus, wie es funk­tio­niert. Ziel ist es, in einem mög­lichst locke­ren Rah­men indi­vi­du­el­le Lösungs­we­ge für Pro­ble­me durch akti­ves Han­deln zu för­dern.

Wo gibt’s das heu­te? – Über­all. Im Büro in der all­täg­li­chen Arbeit, im eLear­ning, in Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen, hat sich Lear­ning by doing als fes­ter Bestand­teil unse­rer Lern­kul­tur eta­bliert. So sim­pel das Prin­zip, so geni­al ist es. Anstatt Zusam­men­hän­ge breit zu erklä­ren oder strik­te Auf­ga­ben zu stel­len, kön­nen durch Aus­pro­bie­ren neue, krea­ti­ve Lösun­gen ent­ste­hen. Die Basis für alle Unter­neh­men, die lang­fris­tig auf Erfolg set­zen wol­len.

Erfah­rungs­ba­sier­tes Ler­nen (John Dew­ey, Mit­te des 20. Jahr­hun­derts)

Das erfah­rungs­ba­sier­te oder erfah­rungs­ori­en­tier­te Ler­nen ist nun wirk­lich ein Prin­zip, das auf den Über­le­gun­gen des Prag­ma­tis­mus von John Dew­ey basiert. Die­ses besagt, dass Ler­nen nur mit­tels eige­ner Erfah­run­gen wirk­lich effek­tiv ist. Dabei kann neu­es Wis­sen nur im Rah­men der eige­nen Erfah­run­gen inter­pre­tiert wer­den. Damit die­ses sich ver­fes­tigt, sind wie­der­um neue Erfah­run­gen not­wen­dig, die das Wis­sen in kon­kre­ten, für die:den Lernende:n rele­van­ten Situa­tio­nen anwen­den. Das Lern­mo­dell des Lear­ning by doing“ wird hier durch eine star­ke Aus­rich­tung auf die Bedürf­nis­se der Ler­nen­den erwei­tert. Dem liegt die Über­zeu­gung zugrun­de, dass ich nur wirk­lich gut ler­ne, wenn die Lern­in­hal­te mich in mei­nem All­tag posi­tiv beein­flus­sen kön­nen.

Wo fin­den wir das heu­te? – In gut gemach­ten eLear­nings, Wei­ter­bil­dun­gen, schu­li­scher Bil­dung usw. Auch bei SAPE­RED legen wir gro­ßen Wert dar­auf, dass alle unse­re Trai­nings­an­ge­bo­te nicht theo­re­ti­sches Kon­strukt, son­dern Lern­in­hal­te mit rea­lem Mehr­wert sind. Des­we­gen fängt bei uns jede Kon­zep­ti­on von Lern­wel­ten mit einer Bedarfs­ana­ly­se an. Statt zu fra­gen: Was sol­len die Leu­te hier ler­nen?, fra­gen wir: Was brau­chen sie, um ihre Arbeit noch bes­ser zu machen?

Ancho­red Inst­ruc­tions (John Brans­ford, 1990)

Zuge­ge­ben, die­ses Prin­zip ist noch ein ech­ter Jung­spund unter den Theo­rien. Es basiert aller­dings auf dem Instruk­ti­ons­de­sign (Inst­ruc­tio­n­al Design, auch ID) der 1950er Jah­re.

Für uns ist es des­halb wahn­sin­nig inter­es­sant, weil es expli­zit für mul­ti­me­dia­le Lern­um­ge­bun­gen ent­wi­ckelt wur­de. Ancho­red inst­ruc­tions arbei­ten mit nar­ra­ti­ven Lern­wel­ten, d. h. ein Pro­blem wird mit einer Geschich­te ver­bun­den, die als Ori­en­tie­rungs­punkt für die Ler­nen­den gilt. Ein erzäh­le­ri­scher roter Faden führt dabei durch die Auf­ga­ben und ver­knüpft dabei ele­gant ver­schie­de­ne Wis­sens­be­rei­che. Ancho­red inst­ruc­tions die­nen des­halb als Modell für inter­dis­zi­pli­nä­re Wis­sens­ver­mitt­lung. Der gro­ße Vor­teil: Durch den nar­ra­ti­ven Rah­men wird das Inter­es­se der Ler­nen­den gestei­gert und die Moti­va­ti­on erhöht. Statt will­kür­lich anein­an­der­ge­reih­ter Modu­le gibt es ein gro­ßes Gan­zes, das sowohl infor­ma­tiv als auch unter­hal­tend ist. Als Leucht­turm“ fun­giert dabei oft ein Film, der die Basis für alle wei­te­ren Inhal­te lie­fert. Die­se bestehen aus mul­ti­me­dia­len, gemisch­ten For­ma­ten, die selbst­ge­steu­er­tes Ler­nen ermög­li­chen.

Wo wer­den Ancho­red Inst­ruc­tions heu­te ein­ge­setzt? – So ziem­lich über­all dort, wo eLear­ning gut funk­tio­niert. Wir glau­ben fest dar­an, dass Ler­nen gera­de im beruf­li­chen Umfeld Spaß machen muss, damit es wirk­lich erfolg­reich ist. Des­halb ist die­ser Ansatz mit hohem Spiel­grad für uns einer der anspre­chends­ten.

Weg vom Modell, rein ins Kon­zept

Bist du auf der Suche nach einem qua­li­fi­zier­ten Part­ner für dein eLear­ning-Ange­bot, der sowohl fun­dier­tes Wis­sen rund um didak­ti­sche Ver­mitt­lung hat, als auch weiß, wie dar­aus eine per­fek­te Lern­um­ge­bung ent­steht? Dann mel­de dich bei uns. Wir freu­en uns dar­auf, mit dir zusam­men­zu­ar­bei­ten!

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