Was ist eigentlich Gamification?
Unter Gamification versteht man die „Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext“ (Wikipedia). Die Idee dahinter ist folgende: Spiel macht Spaß, Arbeit (oft) nicht. Bringe ein paar spielerische Elemente in die Arbeit und sie macht mehr Spaß. Oder wie es weiter bei Wikipedia heißt: „Durch die Integration dieser spielerischen Elemente soll im Wesentlichen eine Motivationssteigerung der Personen erreicht werden, die ansonsten wenig herausfordernde, als zu monoton empfundene oder zu komplexe Aufgaben erfüllen müssen.“ Übertragen auf unseren Kontext – Learning & Development – bedeutet dies, unattraktives Lernen kann durch Gamification attraktiver werden und im besten Fall sogar Spaß machen.
Klingt erstmal ganz charmant, oder? So einfach ist es unserer Meinung nach aber nicht. Denn es handelt sich hier nicht um eine simple Gleichung im Stile von „Wenn Lerner keine Lust auf Lernen haben, füge ein paar spielerische Elemente hinzu, dann sind alle total motiviert und das Lernen macht richtig Spaß“. Aber zu sagen Gamification ist überflüssiger Unsinn, trifft es natürlich auch nicht. Um die Vorteile von Gamification zu verstehen, wollen wir mit zwei Missverständnissen aufräumen.
Missverständnis 1: Belohnung führt zu Wiederholung von gewünschtem Verhalten
Oft gewählte Spielelemente in Trainings sind Punkte, Badges, Leaderboards und Level. Das sind allesamt extrinsische Motivatoren – wenn du x tust, bekommst du y. Und genau das ist auch schon das Problem. Durch die extrinsische Motivation – die Punkte, Badges und meinen Rang auf dem Leaderboard – rückt die eigentliche Tätigkeit und das Ziel (in unserem Fall das Lernen) in den Hintergrund. Wozu führt das? Vielleicht führt das tatsächlich dazu, dass Menschen (unbewusst) mehr Zeit mit Trainingsinhalten verbringen, aber es führt oft nicht dazu, dass sie deshalb mehr lernen. Im Gegenteil: Wenn es um Punkte oder sogar um einen größeren Gewinn geht, richten Menschen ihre Energie schnell darauf, Abkürzungen zu finden, um den Gewinn zu bekommen. Umgangssprachlich nennt man das schummeln, cheaten, mogeln. Wir haben Gamification-Projekte durchgeführt, in denen man dieses Verhalten wunderbar beobachten konnte. Deshalb sind wir nun vorsichtiger im Umgang mit dem vermeintlichen Motivationsbooster Gamification.
Missverständnis 2: Die Mittelmäßigkeit der Masse
Die Theorie der Mittelmäßigkeit der Masse (Douglas McGregor: Theory X and Theory Y) unterstellt, dass der Durchschnittsmensch sich am liebsten leiten lässt, keine Verantwortung übernehmen will, relativ wenig Ehrgeiz hat und vor allem Sicherheit will. Glaubt man an die Mittelmäßigkeit der Masse, dann machen Arbeitsinstrumente wie Kontrolle, Anweisung und Gamification Sinn. Wenn wir aber davon ausgehen, dass der Durchschnittsmensch nicht per se arbeitsscheu ist und aus sinnvoller Arbeit Zufriedenheit und Motivation schöpft, werden die oben genannten Instrumente überflüssig. Kurz gesprochen: Wir glauben, dass Menschen intrinsisch motiviert sind. Wir bei SAPERED sind motiviert, unseren Job gut zu machen, zu lernen, besser zu werden. Und wir sind definitiv wunderbare Durchschnittsmenschen. Natürlich gibt es auch die Unmotivierten und Uninspirierten, aber die sind bestimmt nicht durch Gamification zu retten.
Was bedeutet das jetzt für Gamification in Trainings?
Gamification als Sammlung von extrinsischen Motivatoren hat in Trainings nichts zu suchen. Lernen findet immer intrinsisch motiviert statt. Wo es an intrinsischer Motivation fehlt, muss sie geschaffen werden z. B. durch entsprechenden Experiences (siehe Nick Shackelton Jones, „How people learn“) oder durch eine klare Definition des Purpose, der die Arbeit in einen sinnvollen Zusammenhang setzt.
Gamification kann eine Quelle der Inspiration sein, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das intrinsische Motivation fördert. Hier ein paar Beispiele, um den Gedanken greifbarer zu machen:
Growth Mindset:
Die Annahme, dass wir alles lernen und uns stetig weiterentwickeln können, kann zu einer (Lern-)Kultur führen, in der Mitarbeiter Lernen als Teil ihrer Arbeit sehen und sich außerhalb von vorgefertigten Karrierepfaden weiterentwickeln.
Feedback:
Im Spiel bekommt der Spieler permanent Feedback zu seiner Performance: Ein Foul im Sport führt zu einer Sanktion und ein schlecht gesteuerter Mario verliert schnell ein Leben in glühender Lava. Auch im Arbeitsumfeld wollen Menschen wissen, wo sie stehen. Direkte Feedbackkultur fördert wie im Spiel stetige Weiterentwicklung und intrinsische Motivation, weiterzumachen.
Challenges:
Je besser man ein Spiel beherrscht, desto herausfordernder wird es. Dieses Prinzip übertragen auf die Arbeit bedeutet, dass Mitarbeiter neue Aufgaben übernehmen, an denen sie wachsen können. Vielleicht haben sie sogar die Möglichkeit, sich komplett neuen Themen zu widmen.
Safe Space:
Scheitern gehört mehr zum Spiel als Gewinnen. Im Spiel hat das verschmerzbare Konsequenzen – in der Realität oft nicht. Safe Spaces lassen sich auch im Arbeitsumfeld integrieren und eine positive Sicht auf das Scheitern auch. Ein Safe Space fördert den Mut zum Lernen und Anwenden neuer Verhaltensweisen und hilft uns Gewohnheitstieren, uns zu ändern.
Wie ihr seht, ist Gamification sehr viel mehr als Punkte und Badges. Und es geht auch nicht darum, die Spitze eines Leaderboards zu erklimmen. Bei Gamification im Learning & Development Bereich geht es unserer Meinung nach darum, eine Umgebung (vielleicht sogar Kultur) zu schaffen, in der sich Menschen selbstmotiviert entwickeln können. Gamification dient uns dabei als Inspirationsquelle und Vorbild. Wir wollen Mitarbeiter zu Spielern machen, nicht zu Spielfiguren.
PS: Wer mehr über das Thema Motivation lesen möchte, dem empfehlen wir „Drive“ von Daniel H. Pink. Wer lieber eine Zusammenfassung dazu haben möchte, kann sich demnächst einen Blogpost dazu durchlesen.