Let's talk about ... Gami­fi­ca­ti­on

Dis­c­lai­mer:

Wie in jedem Berufs­feld wur­de auch im Bereich des Lear­ning & Deve­lo­p­ment im Lau­fe der Jah­re eine eige­ne Spra­che ent­wi­ckelt, die es uns erlaubt, beson­ders prä­zi­se zu kom­mu­ni­zie­ren. Doch tut sie das wirk­lich? Wir stel­len immer wie­der fest, dass wir uns zwar über das Glei­che, nicht aber über Das­sel­be unter­hal­ten. Im Fol­gen­den beleuch­ten wir unse­re Sicht auf einen Begriff, den wir häu­fig gebrau­chen – dabei geht es nicht um eine all­ge­mein­gül­ti­ge Defi­ni­ti­on, son­dern um unser urei­ge­nes Ver­ständ­nis davon.

Let's talk about ... Januar 26, 2022 Pascal Jodocy 10 min

Was ist eigent­lich Gami­fi­ca­ti­on?

Unter Gami­fi­ca­ti­on ver­steht man die Anwen­dung spiel­typischer Ele­men­te in einem spiel­frem­den Kon­text“ (Wiki­pe­dia). Die Idee dahin­ter ist fol­gen­de: Spiel macht Spaß, Arbeit (oft) nicht. Brin­ge ein paar spie­le­ri­sche Ele­men­te in die Arbeit und sie macht mehr Spaß. Oder wie es wei­ter bei Wiki­pe­dia heißt: Durch die Inte­gra­ti­on die­ser spie­le­ri­schen Ele­men­te soll im Wesent­li­chen eine Moti­va­ti­ons­stei­ge­rung der Per­so­nen erreicht wer­den, die ansons­ten wenig her­aus­for­dern­de, als zu mono­ton emp­fun­de­ne oder zu kom­ple­xe Auf­ga­ben erfül­len müs­sen.“ Über­tra­gen auf unse­ren Kon­text – Lear­ning & Deve­lo­p­ment – bedeu­tet dies, unat­trak­ti­ves Ler­nen kann durch Gami­fi­ca­ti­on attrak­ti­ver wer­den und im bes­ten Fall sogar Spaß machen.

Klingt erst­mal ganz char­mant, oder? So ein­fach ist es unse­rer Mei­nung nach aber nicht. Denn es han­delt sich hier nicht um eine simp­le Glei­chung im Sti­le von Wenn Ler­ner kei­ne Lust auf Ler­nen haben, füge ein paar spie­le­ri­sche Ele­men­te hin­zu, dann sind alle total moti­viert und das Ler­nen macht rich­tig Spaß“. Aber zu sagen Gami­fi­ca­ti­on ist über­flüs­si­ger Unsinn, trifft es natür­lich auch nicht. Um die Vor­tei­le von Gami­fi­ca­ti­on zu ver­ste­hen, wol­len wir mit zwei Miss­ver­ständ­nis­sen auf­räu­men.


Miss­ver­ständ­nis 1: Beloh­nung führt zu Wie­der­ho­lung von gewünsch­tem Ver­hal­ten

Oft gewähl­te Spiel­ele­men­te in Trai­nings sind Punk­te, Bad­ges, Lea­der­boards und Level. Das sind alle­samt extrinsi­sche Moti­va­to­ren – wenn du x tust, bekommst du y. Und genau das ist auch schon das Pro­blem. Durch die extrinsi­sche Moti­va­ti­on – die Punk­te, Bad­ges und mei­nen Rang auf dem Lea­der­board – rückt die eigent­li­che Tätig­keit und das Ziel (in unse­rem Fall das Ler­nen) in den Hin­ter­grund. Wozu führt das? Viel­leicht führt das tat­säch­lich dazu, dass Men­schen (unbe­wusst) mehr Zeit mit Trai­nings­in­hal­ten ver­brin­gen, aber es führt oft nicht dazu, dass sie des­halb mehr ler­nen. Im Gegen­teil: Wenn es um Punk­te oder sogar um einen grö­ße­ren Gewinn geht, rich­ten Men­schen ihre Ener­gie schnell dar­auf, Abkür­zun­gen zu fin­den, um den Gewinn zu bekom­men. Umgangs­sprach­lich nennt man das schum­meln, chea­ten, mogeln. Wir haben Gami­fi­ca­ti­on-Pro­jek­te durch­ge­führt, in denen man die­ses Ver­hal­ten wun­der­bar beob­ach­ten konn­te. Des­halb sind wir nun vor­sich­ti­ger im Umgang mit dem ver­meint­li­chen Moti­va­ti­ons­boos­ter Gami­fi­ca­ti­on.


Miss­ver­ständ­nis 2: Die Mit­tel­mä­ßig­keit der Mas­se

Die Theo­rie der Mit­tel­mä­ßig­keit der Mas­se (Dou­glas McGre­gor: Theo­ry X and Theo­ry Y) unter­stellt, dass der Durch­schnitts­mensch sich am liebs­ten lei­ten lässt, kei­ne Ver­ant­wor­tung über­neh­men will, rela­tiv wenig Ehr­geiz hat und vor allem Sicher­heit will. Glaubt man an die Mit­tel­mä­ßig­keit der Mas­se, dann machen Arbeits­in­stru­men­te wie Kon­trol­le, Anwei­sung und Gami­fi­ca­ti­on Sinn. Wenn wir aber davon aus­ge­hen, dass der Durch­schnitts­mensch nicht per se arbeits­scheu ist und aus sinn­vol­ler Arbeit Zufrie­den­heit und Moti­va­ti­on schöpft, wer­den die oben genann­ten Instru­men­te über­flüs­sig. Kurz gespro­chen: Wir glau­ben, dass Men­schen intrinsisch moti­viert sind. Wir bei SAPE­RED sind moti­viert, unse­ren Job gut zu machen, zu ler­nen, bes­ser zu wer­den. Und wir sind defi­ni­tiv wun­der­ba­re Durch­schnitts­men­schen. Natür­lich gibt es auch die Unmo­ti­vier­ten und Unin­spi­rier­ten, aber die sind bestimmt nicht durch Gami­fi­ca­ti­on zu ret­ten.

Was bedeu­tet das jetzt für Gami­fi­ca­ti­on in Trai­nings?

Gami­fi­ca­ti­on als Samm­lung von extrinsi­schen Moti­va­to­ren hat in Trai­nings nichts zu suchen. Ler­nen fin­det immer intrinsisch moti­viert statt. Wo es an intrinsi­scher Moti­va­ti­on fehlt, muss sie geschaf­fen wer­den z. B. durch ent­spre­chen­den Expe­ri­en­ces (sie­he Nick Shackel­ton Jones, How peop­le learn“) oder durch eine kla­re Defi­ni­ti­on des Pur­po­se, der die Arbeit in einen sinn­vol­len Zusam­men­hang setzt.

Gami­fi­ca­ti­on kann eine Quel­le der Inspi­ra­ti­on sein, um ein Arbeits­um­feld zu schaf­fen, das intrinsi­sche Moti­va­ti­on för­dert. Hier ein paar Bei­spie­le, um den Gedan­ken greif­ba­rer zu machen:


Growth Mind­set:
Die Annah­me, dass wir alles ler­nen und uns ste­tig wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, kann zu einer (Lern-)Kultur füh­ren, in der Mit­ar­bei­ter Ler­nen als Teil ihrer Arbeit sehen und sich außer­halb von vor­ge­fer­tig­ten Kar­rie­re­pfa­den wei­ter­ent­wi­ckeln.

Feed­back:
Im Spiel bekommt der Spie­ler per­ma­nent Feed­back zu sei­ner Per­for­mance: Ein Foul im Sport führt zu einer Sank­ti­on und ein schlecht gesteu­er­ter Mario ver­liert schnell ein Leben in glü­hen­der Lava. Auch im Arbeits­um­feld wol­len Men­schen wis­sen, wo sie ste­hen. Direk­te Feed­back­kul­tur för­dert wie im Spiel ste­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung und intrinsi­sche Moti­va­ti­on, wei­ter­zu­ma­chen.

Chal­len­ges:
Je bes­ser man ein Spiel beherrscht, des­to her­aus­for­dern­der wird es. Die­ses Prin­zip über­tra­gen auf die Arbeit bedeu­tet, dass Mit­ar­bei­ter neue Auf­ga­ben über­neh­men, an denen sie wach­sen kön­nen. Viel­leicht haben sie sogar die Mög­lich­keit, sich kom­plett neu­en The­men zu wid­men.

Safe Space:
Schei­tern gehört mehr zum Spiel als Gewin­nen. Im Spiel hat das ver­schmerz­ba­re Kon­se­quen­zen – in der Rea­li­tät oft nicht. Safe Spaces las­sen sich auch im Arbeits­um­feld inte­grie­ren und eine posi­ti­ve Sicht auf das Schei­tern auch. Ein Safe Space för­dert den Mut zum Ler­nen und Anwen­den neu­er Ver­hal­tens­wei­sen und hilft uns Gewohn­heits­tie­ren, uns zu ändern.

Wie ihr seht, ist Gami­fi­ca­ti­on sehr viel mehr als Punk­te und Bad­ges. Und es geht auch nicht dar­um, die Spit­ze eines Lea­der­boards zu erklim­men. Bei Gami­fi­ca­ti­on im Lear­ning & Deve­lo­p­ment Bereich geht es unse­rer Mei­nung nach dar­um, eine Umge­bung (viel­leicht sogar Kul­tur) zu schaf­fen, in der sich Men­schen selbst­mo­ti­viert ent­wi­ckeln kön­nen. Gami­fi­ca­ti­on dient uns dabei als Inspi­ra­ti­ons­quel­le und Vor­bild. Wir wol­len Mit­ar­bei­ter zu Spie­lern machen, nicht zu Spiel­fi­gu­ren.

PS: Wer mehr über das The­ma Moti­va­ti­on lesen möch­te, dem emp­feh­len wir Dri­ve“ von Dani­el H. Pink. Wer lie­ber eine Zusam­men­fas­sung dazu haben möch­te, kann sich dem­nächst einen Blog­post dazu durch­le­sen.

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Main-Takea­ways

  1. Spie­le­ri­sche Ele­men­te kön­nen den Lern­fort­schritt der Ler­nen­den för­dern, wenn sie rich­tig ein­ge­setzt wer­den. Das schaf­fen wir, wenn Inhal­te im Vor­der­grund ste­hen und nicht Punk­te, Gewin­ne und Lea­der­boards.

  2. Men­schen wol­len sich ent­wi­ckeln und stre­ben nach vor­ne. Intrinsi­sche Moti­va­ti­on ist mög­lich und wün­schens­wert.

  3. Feh­len­de oder lang­sa­me Lern­fort­schrit­te sind meist nicht durch Gami­fi­ca­ti­on zu lösen. Die Pro­ble­me fan­gen viel frü­her im Unter­neh­men an.

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